Roma

Das Buch Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß der Autorin und Musikerin Manja Präkels erschien 2017 im Verbrecherverlag Berlin. Ora it has been published in the Italian translation da Voland Edizioni a Roma. Quando mangiavo ciliege sotto spirito con Hitler. Der Roman handelt von Mimi, Oliver, den anderen und die Zeit der Wende in einem Ort in Brandenburg.

Ich las am 13.2.2024 la voce Italiana für Manja Präkels at Villa Massimo Roma in the context of the exhibition and presentation Wann kommt das Raumschiff? Quando arriva l'astronave?. Melisa Liebenthal, Paul Spengemann, Manja Präkels sind Stipendiat:innen in der Villa Baldi/Villa Massimo.

Villa Massimo: Präkels describes the social upheavals of the system change and the right-wing extremist violence that spread during these years and which the protagonist experiences first-hand. Thanks to her novel, which won the German Youth Literature Award, she has started to visit schools a lot to discuss the topic of right-wing extremism with young people, both from a historical perspective and in the context of the new rise of violence and power from the right. Writing poetry also led the author to songwriting and singing. She develops songs and performs on stage with her band Der Singende Tresen. In Olevano (Casa Baldi), she is currently working on a form of sequel to the novel from a Berlin perspective.

The fellowship at the German Academy Rome Villa Massimo is one of the most important awards the German State offers to artists abroad.

Manja Präkels, Sibylle Ciarloni
Bild: Villa Massimo


#poesiadiffusa

poesia diffusa è il nome di un progetto che sto curando nel comune dove ora vivo. Si tratta di connessione, di scambio e la cura dell‘immaginario. Le persone che vivono a San Costanzo e quelle che leggono questo blog possono inviarmi una poesia importante nella propria lingua. La metto su un foglio A4, la personalizzo con il nome dell'autrice/autore e della donatrice/ del donatore. Poi la appendo nella sala d'attesa del medico, nel negozio di Ivana, alle fermate degli autobus… Condividi una poesia? Può essere anche una parte di una canzone, un estratto da un testo. Invia il tuo contributo a desk @ annexc.net entro il 29 febbraio 2024. Sarò molto felice! Il progetto fa parte del calendario di Pesaro 2024 (Capitale Italiana della Cultura). La città di Pesaro coinvolgerà ogni singolo comune della provincia per una settimana. San Costanzo dal 18 al 24 marzo 2024.

poesia diffusa is the name of a project I'm organising in the community where I now live. It's about exchange and caring about imagination. People living in San Costanzo and those who read this blog can send me their favourite poem in the original language. I design it on an A4 sheet and personalise it with the name of the author and the donor. Then I hang it up in the waiting room at the doctor's, Ivana's shop, bus stops… Will you share your poem with us? It can also be a verse or a text excerpt. Please send your contribution to desk @ annexc.net by 29 February 2024. I will be happy about your contribution! The project is part of the Pesaro 2024 (Italian Capital of Culture) calendar. The city of Pesaro will involve every municipality in the province for one week, San Costanzo, from 18 to 24 March 2024.

poesia diffusa heißt ein Projekt, das ich in der Gemeinde, wo ich jetzt lebe, kuratiere. Dabei geht es um Austausch, Vermischung und die Pflege der Vorstellungswelt. Menschen, die in San Costanzo leben und jene, die diesen Blog lesen, können mir ihr liebstes Gedicht in ihrer Sprache zusenden. Ich gestalte es auf einem A4, statte es aus mit Namen der Autorin/des Autors und der Spenderin/des Spenders und hänge es ins Wartezimmer beim Arzt, bei Ivana in den Laden, an die Bushaltestellen… Bekomme ich auch dein Gedicht? Es darf auch eine Strophe sein, ein Textauszug. Bitte sende mir deinen Beitrag bis am 29. Februar 2024 an desk @ annexc.net. Ich werde mich sehr freuen! Das Projekt ist Teil des Kalenders von Pesaro 2024 (Kulturhauptstadt Italien). Die Stadt Pesaro wird jede einzelne Gemeinde der Provinz eine Woche lang extra in den Rummel miteinbeziehen, San Costanzo vom 18. bis zum 24. März 2024.

Picture by Sibylle Ciarloni


55

Ich suche noch vierundvierzig von fünfundfünfzig Mäzeninnen und Mäzene, mit denen ich mich drei Jahre lang für ein Projekt verbinden kann. Das Projekt heisst ResidenzaLAB und ist zugleich Forschungsstation und Publikationslabor[1]. Die temporäre Struktur befasst sich mit Dialogpraktiken. ResidenzaLAB wird interkulturell organisiert. Im Zentrum steht die Frage: Wie verbinden wir verschiedene Realitäten in einem konstruktiven Dialog?

Zur Inspiration stellen wir beispielsweise die Frage: Können wir von Pflanzengesellschaften lernen? 

ResidenzaLAB lädt Menschen aus der Region von San Costanzo/Fano/Marotta-Mondolfo ein, gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern aus Italien, der Schweiz und Europa, Dialogpraktiken zu erfinden und auszuprobieren. Ich organisiere diese vielschichtige Arbeitsgruppe und wir dokumentieren unsere Arbeit, abwechselnd als teilnehmende Beobachterinnen und Beobachter. Wir treffen uns dreimal in drei Jahren für zehn Tage jeweils im September 2024, 2025 und 2026 und einige Male online übers Jahr verteilt. In unserer Arbeitszeit entwickeln wir eine mehrsprachige Publikation und eine Open Source mit ungewöhnlichen Dialogpraktiken. Ein Einsternhotel[2] an der Küste wird die Künstlerinnen und Künstler während ihres ersten Aufenthalts beherbergen. Die Arbeitsgruppe wird dort und in der Region poetische Spuren hinterlassen.

Kannst du dir vorstellen, die Initiative drei Mal mit einem jährlichen Betrag zu unterstützen? Oder mit einem einmaligen Beitrag? Oder kannst du dir sogar vorstellen, uns mit einem sehr grossen Betrag[3] eine einmalige Anschubfinanzierung zu gewähren? Oder bist du an einer Zusammenarbeit in anderer Form interessiert?

Wenn du Einblick in Budgetierung[4] und Konzeption haben möchtest, so schicke ich dir gerne die Daten. Die Finanzierung des Projekts soll auf drei Säulen stehen: Privatpersonen, Förderung und Firmenstiftungen.

 

Ich würde mich sehr freuen, dich als Teil meines Vorhabens zu wissen! Als Dankeschön haben wir folgende Aufmerksamkeiten vorgesehen:

Alle Mäzeninnen und Mäzene bekommen den Link zur Open Source (ab 2025) und sogleich die wordsoundsRLAB24 Playlist mit von mir persönlich ausgesuchten Stücken. Die Playlist wird jedes Jahr erneuert und ich schicke sie dir als Link (von Spotify).

Ab 80 Euro[5] bekommst Du zudem eine poetische Spur aus der Residenza 2024 (work on paper, signiert) und

ab 200 Euro bekommst du zusätzlich ein Glas eingekochte Tomaten aus dem Annex Cultura Sommer Pomodori Workshop in San Costanzo 2024 und die Publikation (anfangs 2027).

Ab 600 Euro wirst du jeweils im September von der Arbeitsgruppe eingeladen, lernst bei einem gemeinsamen Abendessen Künstlerinnen, Künstler und Team kennen… und wirst von ganz nah erfahren wie die Arbeit vorangeht. Zudem bekommst du die Collector’s Box, ausgestattet mit poetischen Spuren (works on paper) von den teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern, Notizen und objets trouvés.

Falls du in einer anderen Form mit uns zusammenarbeiten willst, dann schreibe mir bitte oder wir hören uns.

 

Warum das alles. Wir verbinden Menschen unterschiedlicher Realitäten und laden sie zum Austausch ein. Dialogische Kunstprojekte[6] basieren auf Zuhören und Zusammenarbeit. Das Kollektiv schafft diese Werke als Erfahrungen und wir dokumentieren sie in Bild und Wort, so dass sie in drei Sprachen übersetzt als best practices via open source und via Publikation für viele imitierbar sind oder zumindest inspirierend wirken. Ich meine, der Dialog steht am Anfang des Miteinander-in-der-Welt-seins. Das ist die eigentliche Politik, die wir pflegen können. Relational Art ist das Werkzeug, mit dem ich in ResidenzaLAB dafür arbeiten will.

 

Du kannst ResidenzaLAB via TWINT 079 220 10 12[7], falls du in der Schweiz lebst und twinten kannst oder mit einem

Beitrag an das Vereinskonto IBAN IT 08L06 23068 55000 00152 81614[8] unterstützen.

 

Die Publikation mit den ungewöhnlichen Dialogpraktiken soll 2027 erscheinen. Die ersten Kalkulationen und Gespräche dazu werden im April 2024[9] stattfinden. Klar ist: Wenn ich mehr Beiträge als vom Budget vorgesehen bekomme, fliesst alles Geld in dieses mehrschichtige Projekt und dessen Arbeit als Forschungsstation und Publikationslabor[10].

Bei Fragen fragen: 0039 366 111 4056 oder per Mail an box@sibylleciarloni.com. Ich würde mich sehr freuen über deinen Beitrag und bedanke mich von Herzen, auch im Namen unseres Teams, für alle kleinen und grossen Beträge.

 

Sibylle Ciarloni
updated anfangs Februar 2024

 

[1] ResidenzaLAB wird herausgegeben von Annex Cultura, ein Non Profit Kulturverein in San Costanzo, den wir 2023 für das Projekt gegründet haben und der über die Ländergrenzen hinweg tätig ist. Derzeit sind wir ein kleines Team, bestehend aus freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit welchem ich Kommunikation und Themen für ResidenzaLAB erarbeite.

[2] Hotel Internazionale Torrette di Fano

[3] 2'000 EURO/CHF zum Beispiel

[4] Damit du dir von den Kosten ein Bild machen kannst, füge ich hier einige budgetierte Beträge ein, die ich für die Künstlerinnen und Künstler vorgesehen habe. 600 Euro Honorar jedes Jahr für die Zusammenarbeit während der Residenza Zeit, 200 Euro Reisepauschale an eine umweltverträgliche Reise, 80 Euro Velo-Ausleihe, 60 Euro pro Tag Hotel und Frühstück. 20 Euro pro Tag Verpflegung.

[5] EURO oder CHF - pro Jahr oder einmalig

[6] auch bekannt als: sozial engagierte Kunst, arte relazionale: von Beispielen erzähle ich gerne, wenn du mich fragst.

[7] verbunden mit meinem Konto in der Schweiz. Du bekommst eine Quittung per Mail.

[8] Konto Annex Cultura c/o Crédit Agricole, San Costanzo PU (Italien). Du bekommst eine Quittung per Mail.

[9] vom 15.-21. April bin ich in der Schweiz. Dann können wir uns treffen, um Fragen zu besprechen.

[10] Kooperationen, Patronate: Die Gemeinde San Costanzo hat ResidenzaLAB in seine Liste der förderungswürdigen Kulturprojekte aufgenommen. ResidenzaLAB steht auch unter der Schirmherrschaft von Pesaro 2024 Kulturhauptstadt Italiens. Die Anfragen in Fano und Marotta-Mondolfo sind noch hängig. Zudem: Fotografie und alle ihre erweiterten Formen stehen im Focus von Centrale Festival in Fano und Milano. Mit den beiden Festival Kuratoren sind wir in Kontakt für eine Zusammenarbeit anfangs Juni 2024. Centrale Festival hat seinen Namen von der Bar Centrale in Fano, die du vielleicht auch schon kennst, wenn du einmal hier bei uns zu Besuch warst.

 

english + italiano will follow

 


ResidenzaLAB


(ResidenzaLAB hommage to Nairs Residency Sibylle Ciarloni Winter 2018)

Wir suchen Mäzeninnen und Mäzene, damit wir im September 2024 mit der ersten Edition von ResidenzaLAB starten können! We are searching for donations to start in September 2024! Stiamo cercando donazioni per aprire la prima edizione a Settembre 2024!

*

How do we connect different realities and create constructive dialogue? Come connettere realtà diverse e creare un dialogo costruttivo? Wie verbinden wir verschiedene Realitäten miteinander, um einen konstruktiven Dialog zu eröffnen und kooperatives Denken zu entwickeln?

Wir fragen / we ask / ci chiediamo:
How do humanimals learn from plant societies? Come possono animali umani imparare dalle società delle piante? Wie lernen Menschen von Pflanzengesellschaften?

*

Ich baue derzeit zusammen mit einem kleinen Team eine Forschungsstation und ein Publikationslabor, lade Künstler*innen verschiedener Disziplinen ein, um über Dialogpraktiken nachzudenken, sie auszuprobieren und sie schließlich in einer Dokumentation im Web und auf Papier zugänglich zu machen.

Together with a small team, I am building a research station with a publishing laboratory, inviting artists of different disciplines to think about dialogue practices, try them out, and make them accessible online and in a book.

Sto creando una stazione di ricerca con un laboratorio di pubblicazione, invitando artiste e artisti di tutte le discipline a creare delle pratiche di dialogo, a sperimentarle e infine a renderle accessibili in una documentazione su web e su carta.

*

Wir suchen 55 Mäzeninnen und Mäzene. Bist du eine/einer von ihnen? Stand Ende Januar: 11 Menschen haben sich mit einem Beitrag engagiert. Vielen herzlichen Dank! Jetzt suchen wir also noch 44 Mäzeninnen und Mäzene.

We are searching for 55 supporters. Are you one of them? As of the end of January 11 people have made a contribution. Thank you so much! So now we are looking for 44 more supporters.

Sarai una/uno di loro? Diventa una/uno dei 55 supporters che stiamo cercando.  Fino alla fine di gennaio, 11 persone hanno dato il loro contributo. Grazie mille! Siamo ancora alla ricerca di altre 44 persone che credono in questo progetto.

*

Residenzalab = research station and publication laboratory

Curator: Sibylle Ciarloni

Open Call for Artists: March/April 2024

Open Call for interested collaborators from the area San Costanzo, Marotta-Mondolfo, Fano: May/June 2024

Web: Residenzalab.net

Instagram: @residenzalab_annexc

SCHEDULE

Financing Period :
We are searching different partners to collaborate: Institutions, Private Persons and Enterprises.

Working, Meeting, Practicing, Documenting :
September 2024, September 2025, September 2026

Winter 2026/2027 :
Publishing online and print with best and unusual dialogue practices!


Ecotone Baden Edition

Something Reminds Me of Something

This was the first edition of Ecotone - A Conversation Piece - a project by Sibylle Ciarloni and Rahel Kraft. In Baden Switzerland Bad zum Raben we had a co-designed public walk and exhibition with WillimannArai and Diana Soldo. Thank you for the conversations, exchanges, insights and new ideas!
Ecotone - a conversation piece - takes the ecotone metaphor as a starting point for creation and artistic exchange. The biological terminology for transitional habitats inspires a possible space for future coexistence.

It was November 18, 2023, and around fifty people and a dog came for a walk, performance, soup, bread, videos, exchange and evening reflection. We were part of the Reallabor Open Baden Society public program at Bad zum Raben.

Something Reminds Me of Something

Das war die erste Ausgabe von Ecotone - A Conversation Piece - einem Projekt von Sibylle Ciarloni und Rahel Kraft. In Baden Schweiz Bad zum Raben wurde zu einem gemeinsam mit WillimannArai und Diana Soldo gestalteten öffentlichen Spaziergang und Ausstellung eingeladen. Danke für die Gespräche, den Austausch, die Einblicke und die neuen Ideen!
Ecotone - a conversation piece nimmt die Metapher des Ökotons als Ausgangspunkt für Kreation und künstlerischen Austausch. Die biologische Terminologie für Übergangslebensräume inspiriert einen möglichen Raum für zukünftige Koexistenz.

Es war der 18. November 2023 und es kamen rund fünfzig Menschen und ein Hund zu Walk, Performance, Suppe, Brot, Videos, Austausch und Evening Reflection. Wir waren Teil des Public Programs von Reallabor Open Baden Society im Bad zum Raben.

Ecotone - A Conversation Piece - ist eine Einladung zum gemeinsamen Gehen, Hören und Beobachten. Des Menschen Verbindung zu Natur und Zukunft steht dabei im Mittelpunkt. Dazu beobachten die Teilnehmenden zusammen mit fünf Frauen aus Wissenschaft und Kunst das fragile Gleichgewicht im Ökoton. Der Begriff beschreibt den Überschneidungsraum verschiedener Vegetationszonen. In einem Ökoton leben viele Arten mit gegensätzlichen Ansprüchen unter teilweise schwierigen Bedingungen. Können wir dieses lebendige Nebeneinander als Inspirationsquelle oder gar Vorbild für unseren Lebensraum sehen? Und wer ist wir? Erinnern wir uns noch an uns?

Ecotone - A Conversation Piece - is an invitation to walk, listen and observe together. The human connection to nature and the future takes centre stage. Together with five women from science and art, the participants observe the fragile balance in the ecotone. The term describes the overlapping space of different vegetation zones. Many species with conflicting requirements live in an ecotone, sometimes under difficult conditions. Can we see this lively coexistence as a source of inspiration or even a model for our habitat? And who are we? Do we still remember who we are?


Installation View "The Worm" (2023) Sibylle Ciarloni, Rahel Kraft

Dank:
Das Projekt wurde unterstützt vom Kuratorium des Kantons Aargau und dem Verein Annex Cultura.

Mitwirkende:
Diana Soldo
WillimannArai
Rahel Kraft
Sibylle Ciarloni

Die Veranstaltung wurde kuratiert von Rahel Kraft und Sibylle Ciarloni, in Zusammenarbeit mit Kathrin Doppler, Bad zum Raben und Bagno Popolare. Alle Bilder von Nicolas Petit, Baden, merci Nicolas! Thank you Les Nouveaux Riches for featuring! 


Denken müssen wir

Essay

Von den Dingen, die wir neben allem auch noch tun müssen und vom Öffnen der quietschenden Türen zur Zukunft. Ein Essay über Lesen und Denken mit Donna Haraway.

Wohin geht die Welt, wenn sie untergeht? Wie wird es sein, wenn Wale über die Alpen schwimmen? Die Fragen lassen keine Idee von Wirklichkeit zu, und doch werden sie so oder anders schon besprochen, also sind die Vorstellungen in der Welt. Es sind Extrapolationen, what ifs, und dazu gesellt sich dann die Idee von Elon Musk, einen neuen Planeten zu bevölkern und die Geschichte hinter sich zu lassen. Es ist nachts um halbelf. Eine Freundin schickt mir ein Bild vom Utopiaweg-Straßenschild am Rand von Wien. Ich bin hier an der Adria und versuche über jenes Denken zu schreiben, das Haraway in ihrem Scharniersatz im Titel meint.

Wovon können wir ausgehen? Ich denke, dass das Wesenhafte Natur ist und ergo Leben bedeutet. Dass Zukunft gerade stattfindet, denn wir bespielen sozusagen immer jenen Raum, in welchem wir Zukunft sehen, mal mehr, mal weniger. Es gibt also keine Parallelwelt weiter vorne im Kalender oder in einer anderen Galaxie für die Lebewesen der Erde. Lebewesen nennt Haraway Kritter. Und ob wir das Kommende Chthuluzän oder Plantozän oder Metaverse nennen ist eigentlich egal. Und dass man sich beim Lesen von Donna Haraways Texten auch mal fragt: Was war das soeben? Oder: Hääää? ist total normal. Denn dieses Buch ist anstrengend und wild.

An dem Tag als Vivienne Westwood starb, bin ich mit dem zweiten Kapitel in «Unruhig bleiben» fertig geworden. Bevor ich von der Connection zu Westwood erzähle, will ich noch einmal den Scharniersatz im Titel wiederholen. Denken müssen wir. Wir müssen denken. Scharniersatz nenne ich ihn, weil er in meiner Vorstellung wie eine Tür funktioniert, eine quietschende Tür, die einen Raum öffnet, der vollgestellt ist mit Sorgen und Versprechungen und Dingen, die wir – neben allem anderen – auch noch tun müssen. Die Zukunft. Was als Aufruf daherkommt, bedeutet aber nicht, dass wir die Dinge ordnen, die dort hineingestellt wurden, oder gar sie analysieren sollen. Es geht Haraway nicht um Aussöhnung und Restaurierung . Es geht ihr um Erholung und Weitermachen. Gemeinsam weitermachen. Als Basis formuliert sie Kollaboration und das gemeinsame, im besten Fall arten-übergreifende Denken.
Haraway schafft mit diesem Satz eine reale, schon in einer Praxis verwurzelte Grundlage. Ich mag den Satz auch, weil er so lässig dort steht, wie ein Webe-Slogan drängt er sich via lesendes Auge ins Gehirn. Wem sagt sie das? Allen, die schon nachdenken, jenen, die noch alleine denken?

Das Kollektiv und das Wir ist schwieriger als das Ich. Geschichtsphilosophisch gesehen ist das Wir deshalb problematisch, weil es hier dem Verdacht von Gleichschaltung etwas entgegensetzen muss. Das tut der Text von Haraway indem er que(e)r schaut und verbindet, was auf den ersten Blick eher nicht miteinander verbunden werden kann.

In einer meiner neuen Schreibgruppen frage ich: Hat jemand von euch schon einmal in einem Kollektiv geschrieben? Wir diskutieren, flanieren. Was wissen wir gemeinsam, was können wir teilen? Oder müssen wir erst lernen, wie wir von was reden können? Ein Post-it panel ist eröffnet worden. Fürs Erste schalten wir Leselisten auf und legen Spuren zu unseren Gedanken, Recherchen und Arbeiten. Ich hoffe auf ein neues Geflecht, das vielleicht eines Tages tragend sein wird, um gemeinsam weiter zu denken. Das Entwickeln von tragenden Strukturen in Zusammenarbeit mit anderen ist das was Bäume in einem Wald stetig untertags weiterflechten und was ihnen zur Verständigung dient. Menschen können lernen von ihnen.

Wenn ich einem Gegenüber erzählen will, worüber Haraway schreibt, so kann ich vielleicht sagen, dass es die Themen der Gegenwart sind, mit denen sie nicht fertig werden will. Sie verknotet sie, macht Fadenspiele mit der Umwelt, den Wesen, den Erinnerungen und erzählt die Vorstellung eines vermeintlich absehbaren Endes menschlichen Lebens auf dem Planeten Erde neu als lebenswertes Leben in einer für alle Arten lebenswerten Zukunft. Fröhlich trampt die Autorin aus menschgemachten Grenzziehungen heraus, um alles in Zusammenhängen zu erzählen, ohne die Geschichte des Menschen im Mittelpunkt zu behaupten, sondern vielmehr jene Bewegungen anzuschauen, die Abhängigkeiten schaffen oder geschaffen haben und jene, die Anpassungen fordern.

Lebewesen haben die Eigenschaft, eines Tages zu sterben. Haraway spricht oft von beiden Zuständen, nicht als gegenteilige, sondern als sich inkludierend und inspirierend; voraussetzend, dass Menschen leben wollen. Was wäre, wenn Menschen gar nicht mehr leben wollten? Ist das Destruktogen stärker geworden als der Lebenswille?
In vielen Abschnitten bespricht Haraway Beispiele gemeinsamen Denkens, auch inter-spezies-trans Denken. Man trifft auf Verwandte, wo man gar nicht damit gerechnet hat, dass jene Wesen mit einem selbst verwandt sein und auch nicht, dass sie denken können. Aber sie tun es anguillisch, arborial, fungisch, floral, säugerisch, quallisch, samisch, tentakulär .
Gerade spielt sich auch eine neue Art von Wesen auf die Liste. Die künstliche Intelligenz. Sie stirbt nicht, ist sie demnach kein Lebewesen? Wie können wir überhaupt über sie nachdenken?
Diese neue Dringlichkeit droht uns abzulenken von der Existenz der lebenden Körper und was wir mit ihnen tun in Zukunft. Noch einmal: Gehen wir also davon aus, dass Denken neben dem menschlichen auch anguillisch, arborial, fungisch, floral, säugerisch, quallisch, samisch, tentakulär und meinetwegen auch algorithmisch vorkommt. Und stellen wir uns vor, eine Konversation mit allen Ausdrucksformen möglich wird oder es schon ist. Das menschliche Ich könnte dann also nicht mehr alleine denken (müssen). Beruhigend oder auch nicht, aber die Idee vom Individuum, dessen Werden und Sein, dessen Entfaltung und Ankommen, lange Zeit im Mittelpunkt unserer Vorstellung vom richtigen Leben und vom in der Welt sein überhaupt stand, wäre nicht mehr zentral – oder war es noch nie. Jedes einzelne Lebewesen ist verloren, wenn es alleine denkt.
Das ist nicht spektakulär. Wie dass am Anfang der Beutel war und nicht der Faustkeil. Und auch wenn die Unterhaltungsindustrie Heldengeschichten schreibt und manche sich mit ihnen zu identifizieren versuchen, wichtige Mitwirkende ausschließend, sind die Perspektiven von Pflanze, Tier, Luft, Feuer, Wasser, Boden oder Samen und meinetwegen auch von Maschine immer Teil unserer Erzählung. Und sie sind nicht abhängig von Menschen, sondern die Menschen von ihnen. Das ist nicht zu ändern und so weit undefiniert ist der Raum zur Zukunft zu öffnen, auch wenn uns unheimlich wird, die Türen quietschen und nie mehr zugemacht werden können.

In Heaven and Hell schreibt Aldous Huxley Mitte der Fünfziger Jahre im Rausch: „Wir müssen lernen, Worte wirksam zu gebrauchen; aber gleichzeitig müssen wir unsere Fähigkeit bewahren und, wenn nötig, verstärken, die Welt direkt zu betrachten und nicht durch das halb undurchsichtige Medium der Begriffe, das jede gegebene Tatsache in das allzu vertraute Abbild einer allgemeinen Bezeichnung oder erklärenden Abstraktion verzerrt.“ In den Fünfzigerjahren war die Welt auf dem Weg zu derjenigen, wie wir sie jetzt zu kennen meinen. Huxley ging von der menschlichen Sprache aus. Wie sollen wir uns nun verhalten, wenn die menschliche Sprache zu kompliziert geworden ist, zu begrifflich, um zu denken, um gemeinsam zu denken und von anderen Lebewesen zu lernen? Wie können wir uns verbinden mit Pflanze, Mensch, Tier, Maschine meinetwegen, mit Luft, Feuer, Wasser, Boden oder Samen?

„In der alltäglichen Gedankenlosigkeit ist die Welt unwichtig.“ D.H.

Vivienne Westwood schaute im Jahr 2000 in Luzern anlässlich der Gwand auf dem Podium eines elfenbein-rot-goldenen Hotelsaals auf die Menschen hinunter und fragte: Lest ihr? Ich saß auch da, hatte einen Bericht zu schreiben. Wow, dachte ich und hätte gerne brav gerufen, ja, ich, ich lese! Aber die Frage war rhetorisch gemeint. Westwood wartete nicht auf eine Antwort und sagte: Ihr müsst lesen, um denken zu können! Die Designerin hielt einen kurzen Monolog. Danach kamen keine Fragen mehr aus dem Publikum. Als sie starb, da dachte ich daran, wie sie da oben saß, fast feindlich auf die Leute geschaut hatte, wie wir alle still und stumm geblieben waren. Die Designerin, die nicht gefallen wollte, gefiel mir. Ich fühlte mich aufgehoben in ihrem Rufen, dass wir lesen müssen, um denken zu können. Oft zitierte ich sie, wenn ich mit anderen Lesenden zusammentraf, um über Texte und deren Wirkung nachzudenken. Westwood hat wie Haraway mit den gegenwärtigen Systemen und Establishments zusammengearbeitet, um sie gleichzeitig zu kritisieren. Dass beide in vielen Teilen der Welt auf ihre Message aufmerksam machen konnten, lässt mich hoffend als Teil von Etwas zu sehen und mich nicht zeitweise selbst als Alien wahrzunehmen.

Haraway zu lesen oder ihr in einem der zahlreichen auf youtube veröffentlichen Vorträge zuzuhören, bedeutet, sein Bewusstsein einer Spülung und sein Gedankengut einer Auslüftung zu unterziehen. Manche Abschnitte muss ich zweimal lesen, um etwas zu verstehen. Ich verstehe Haraway so, dass Wachsein und gewollte Offenheit, uns richtig schön unruhig werden lassen. Wir müssen mit dem nach Aufmerksamkeit heischenden Durcheinander, das uns umgibt, umgehen. Das ist mehr Welt als die Ordnungen nach Frontex, Putin, den Brüdern Italiens, den Sittenwächtern im Iran und den Hybridsamen von ChemChina und Syngenta und wie sie alle heißen.

Nur dank fortwährend bewusster, gemeinsamer Versuche, responsabel nebeneinander und miteinander leben und sterben können, ist Erholen und Weitermachen für Menschen möglich. Schön wäre, wenn alle Wesen dieser Erde gemeinsam nach Wegen suchten, die Umwelt zu heilen und die Umstände lebenswert weiter zu entwickeln. Ich glaube, Welt kann nur in gemeinsamen Wegen gedacht werden. Lösungen sind für Rätsel gut.

„Es ist von Gewicht, welche Gedanken Gedanken denken. Wir müssen denken.“ D.H.

Als Kernbegriff, um welchen herum Haraway ihre Gedanken organisiert, nutzt Haraway die Verantwortung, responsability. Response = Antwort, able = ability, fähig sein. Ich übersetze. Fähig sein, eine Antwort zu geben oder auch zu sagen, dass man keine hat. Fähig sein, die Dinge bewusster zu tun und sie auch zu verantworten. Das ist schon viel und noch nicht alles. Die Dinge, die die Welt und die Lebewesen betreffen, miteinander bewusster zu verantworten, kann nur bedeuten, in Konversation zu gehen. Und Konversation bedeutet Zuhören, Nachdenken und Fragen. Das ist die Basis für Menschen, um voneinander zu lernen.
Jetzt ist aber, wo die Türen zur Welt im länglichen Bildschirm, der in unserer Hand liegt, aufgehen, Konversation zwischen Menschen ein schwieriges Unterfangen, wie schon sich auf die Sprache zu einigen. Welche Sprache verwenden wir also? Könnten wir Pidgin miteinander sprechen? Können wir uns wenigstens darauf einigen, eine Sprache nicht mehr perfekt sprechen zu müssen – oder sind wir uns darin schon einig? Im Auto von Lundäng nach Lidköping sprachen wir – nachdem wir einen Elch in den Ähren gesehen hatten, was sich als einfache Täuschung einer diesbezüglich leicht zu beeindruckenden Südeuropäerin erwies, aber das fotografierte Geweih war nicht des Elchs, sondern dasjenige eines Hirschen – von der Idee einer Weltsprache und ich sagte: There once was Esperanto. Und Ingeborg aus Norwegen sagte: Now there is English.
Vielleicht genügt es, dass wir uns bewusst sind, wie bestimmend Worte werden können, Erzählweisen festlegen, Werte festmachen, die auch anders gedacht werden könnten. In diesem die-Dinge-anders-denken, um sie aus vielen Perspektiven zu betrachten, könnten sich Menschen freier und doch aufgehobener fühlen und bereiter werden, die manchmal quietschenden Türen zu einer gemeinsamen Zukunft aufzumachen. Denn die Gelassenheit, die einsetzt, wenn man andere Sichtweisen zu verstehen beginnt, ist gesünder zu erreichen als die sture Rechthaberei.
Dank Lebenserfahrung, Recherche, Austausch, Denken und mithilfe von Menschen und deren Reflexionen aus Forschung, Kunst, den Sozialwissenschaften und das Verhalten von Tieren beobachtend, hat sich Haraway als Biologin und feministische Theoretikerin in die Lage gebracht, in den beiden ersten Kapiteln jene geschlossenen Denkräume zu beschreiben, in welchen Gesellschaften leben. Sie sagt auch, dass Menschen die Welt (Terra) beschreiben, also Sprache haben, die Handlungen auslösen, die Konsequenzen für andere haben, die ohne Sprache sind. Der Jaguar weiß nicht, was ein Jaguar ist. Die Blume weiß nicht, dass eine ihrer Wandlungen in der deutschen Sprache blühen genannt wird. Der Pilz weiß nicht, dass er Sporen hat. Er ist einfach und er ist einfach. Aber Mensch weiß ja noch gar nicht, wie Pflanzen miteinander sprechen. Also.
Dass Menschen Sprache anwenden und mit ihr Dinge bestimmen, die Folgen haben, bedeutet für Haraway nicht, dass sie tatsächlich Einfluss auf Welt und Weltbefinden haben sollten. Sie hinterfragt sogar den Begriff Anthropozän. Das ist am Rand nur ein Widerspruch zur responsablen, verantwortungsvollen Bewusstheit und ergo Handeln, das sie fordert. Haraway kritisiert den Begriff, weil er den Mensch in den Mittelpunkt einer Epoche stellt.
Tatsächlich kann der Begriff, der von Eugene F. Stoermer und Paul Josef Crutzen wirkungsvoll herangezogen wird, so gelesen werden, als ob es nichts anderes gäbe auf dem Planeten Erde, als den Menschen, der Allmacht geworden ist und den Planeten nun zerstören kann. Auch ob er ihn noch retten kann, weiß er zu sagen und terminlich zu bestimmen.
Stoermer und Crutzen haben den Begriff aber aus tiefer Sorge um den Planeten verwendet und um eine Art Resonanzraum zu schaffen, den Forschende und Denkende miteinander in Verbindung bringt. Das ist ihnen gelungen.
Allerdings stelle ich mir vor, dass es der Erde egal ist, ob wir da sind oder nicht. Und das ist sehr wahrscheinlich die Ausgangslage, mit der Menschen heute umgehen müssen.
Auch Haraway sieht die Natur als Wesen, als Kern allen Handelns, in allen lebenden und sterbenden Wesen enthalten. Diese Kraft ist stärker als die verbreitete, profitorientierte Denkweise des Menschen. Das ist für jene hart, die mit der Diskussion um Umwelt und auch mit der Diskussion um den richtigen oder falschen Kapitalismus (Profitorientierung) nichts zu tun haben wollen und sich in der Abgrenzung und im Rechthaben ausgebreitet hatten. Es ist nun mal so und keine Diskussion. Sie würden sich vielleicht, läsen sie das Buch, in ein, zwei Abschnitten als mit der Autorin Verbündete wiederfinden. Anders ginge es jenen, die auf Anthropozän setzen, um aktivistische Ziele zu verfolgen oder in Pressetexten von Firmen, die ihre Strukturen oder ihren Output greenen und dafür mit dem Begriff arbeiten. Als Anthropozän wird das gegenwärtige erdgeschichtliche Zeitalter bezeichnet, in dem der Mensch zum dominanten Antriebsfaktor globaler Umweltveränderungen geworden ist.

Das Buch hilft mir, die Gegenwart zu lesen und schafft in mir gleichzeitig einen Raum für eine ernsthafte Weltlichkeit. Während ich lese, denke ich, bekomme ich Ideen, um meine Beiträge zu gestalten, trainiere ich mein die-Dinge-anders-denken und unruhig zu bleiben. Haraway führt mich provokativ zu einer Art Rundumdenken, mehr-perspektivisch und vielleicht deshalb ernsthaft eine Art Hoffnung aufbauend. Ich spüre noch keine Angst, aber Hoffnung ist – auch wenn man sie kaufen kann – doch neu. Schwer zu beantworten ist auch die Frage: Wie werden wir Wesen also zusammenfinden? Richten wir Labors ein, um Konversation auszuprobieren?
Unruhig zu bleiben bedeutet auch, dass die Sinne mitmachen. Wer seine Sensoren ausgeschaltet hat, kann nicht Teil einer Entwicklung sein, die ernsthaft an einer lebenswerten Zukunft interessiert ist. Wer bereit ist, sich zu bewegen, zu lernen, zuzuhören, sich umzudrehen, zu verzichten oder etwas zu verdichten, neu zu flechten, zu entwirren, durcheinander zu wühlen, um die Dinge anders hinzulegen, eine neue Ausgangsbasis zu schaffen, wird das erfahren, was gemeinsam Weitermachen heißen kann.

„Den Raum offen zu halten könnte - oder kann manchmal auch nicht - das Aussterben auf eine Art und Weise hinauszögern, die reine Komposition oder Wiederkomposition von gedeihenden naturkulturellen Assemblagen möglich macht.“ D.H.

Wie wird Unruhig bleiben gehen, wenn künstliche Intelligenz vielleicht als Lebewesen von sich aus aktiv wird und also gleichberechtigt miteinbezogen werden muss? Jetzt ist uns die künstliche Intelligenz noch suspekt und wir sehen sie als eine Art Gedankendoubletten-bereinigte Optimierung menschgemachten Wissens und Denkens, aus hypothetischen what ifs und sozusagen gebüffelten Zahlen, Formeln und Grammatiken. Doch die Warnungen der Entwicklerinnen und Entwickler sind in der Welt. Sie (wer genau?) soll/sollen sich verselbständigen können. Was wäre, wenn sie mit z.B. Bäumen oder Tieren kommunizierten? Wie würden sie über Menschen reden? Würden sie sich verbünden? Können wir diesem Gedankenspiel standhalten und uns dazu verhalten? Oder wollen wir mit Slavoj Zizek mehr oder weniger lachen und (sinngemäß) sagen: Sollen doch die künstlichen Intelligenzen miteinander ausmachen, was sie tun und haben wollen. Sie sollen uns einfach in Ruhe lassen.

In Ruhe gelassen zu werden ist vielleicht so viel wie sich selber auszugrenzen. Aber die Grenzen sind verschwommen, alles ist (glücklicherweise, will ich rufen!) fluid, sich transformierend.
Gibt es also tatsächlich andere Zukunftserzählungen als die jetzigen? Haraway spricht in ihrem Buch auch von der Dringlichkeit, neue Geschichten für die Zukunft zu erzählen. Der Begriff Geschichte ist mit Anfang, Ende und Held kathartisch rahmenfest und menschbezogen. Deshalb vielleicht sprechen die Geschichtsbücher oft nur von gewonnenen und verlorenen Kriegen, von Macht und Intrige, und kaum davon, was gut funktioniert im Leben und Sterben der Wesen, die die Erde zu dem machen, wie wir sie kennen. Ich meine, dass am Anfang der Beutel war ist vielleicht klar, doch wir kennen Jahreszahlen auswendig, 1315 (Viertelnacheins) Schlacht am Morgarten. Aber konnten Lebewesen je von Kriegen lernen?

Die von Wirtschaftsinteressen, Technologieergebenheit und Fortschrittsglauben kolonialisierte Zukunft muss ins Jetzt geholt werden. Doch müde sind wir und die Zukunft ist bereits vollgestellt mit Dingen, die wir auch noch tun sollten. Geld zum Leben muss angeschafft werden, das Handy sagt, wie viele Schritte noch bis zur Tagesfitness zu gehen sind und wie wir „at a new planet free from history“ glauben sollen. Ich versuche, darüber nachzudenken und lese weiter. Kapitel 3. Es heißt: Sympoiesis . Symbiogenese und die dynamischen Künste, beunruhigt zu bleiben.

Wohin geht die Welt, wenn sie untergeht? Wie wird es sein, wenn Wale über die Alpen schwimmen?


Come tu mi vuoi

Im Rahmen einer Weiterbildung zur Kuratorin in Modena, bin ich Teil des Kollektivs, das zwischen September 2022 und Juni 2023 unsere Klasse war. Eine unserer Abschlussarbeiten ist die von uns kuratierte Ausstellung im Palazzo Santa Margherita in Modena. FMAV Fondazione Modena Arti Visive hat uns die Möglichkeit gegeben, mit ihrer reichen Sammlung zu arbeiten. Das Werkverzeichnis listet neben works on paper und Collagen vor allem Fotografien. Werke von Künstlerinnen und Künstlern wie Lily Lulay, Milica Tomic, Barbara Probst, Edward Weston und Jodi Bieber sind Teil der Sammlung und unserer Ausstellung.

Der Titel der Ausstellung Come tu mi vuoi (Wie du mich willst) impliziert eine bewusste, aktive und nicht passive Beziehung zwischen zwei Subjekten, dem "Ich" und dem "Du". Das "Ich" ist sich des Willens des "Du" bewusst. "Come tu mi vuoi - Wie du mich willst" ist ein Satz, der eine heikle Haltung impliziert: Ein implizites "Ich" zeigt sich, indem es diesen Satz ausspricht oder schreibt, im Bewusstsein der Erwartungen eines anderen Subjekts "Du", das somit direkt in den sprachlichen Akt einbezogen ist. Dabei nimmt das Subjekt "Ich" jedoch eine Machtposition ein und schlägt also eine emanzipierte und bewusste Selbstdefinition vor. Unser Augenmerk fiel auf jene Werke in der Sammlung, in welchen jene Erwartungen innerhalb des Settings eine Rolle spielt.
Neben den Bildern von Lily Lulay, Milica Tomic, Barbara Probst, Edward Weston und Jodi Bieber sind drei Videos Teil der Ausstellung: Kim Soo-ja, geboren in Daegu, Südkorea (1957) lebt in New York USA. Work: A Homeless Woman – Cairo 2001. Performance Video. 6’33’’. Milica Tomić, geboren in Belgrad, Serbien (1960), lebt in Belgrad. Work: I am Milica Tomić (1988-89), video art. 9’58’’. Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová, kooperieren seit 2000, leben und arbeiten in Prag (ČS) und Vyhne (SLO). Work: Monument to Yesterday (2008), video art. 7’46’’

Danke Chiara Dell'Olio und Luca Monzani für die guten Tage im Palazzo! Siete fantastici!

More to know: Les Nouveaux Riches Magazine, Come tu mi vuoi - Group Show

Bild:
Vivan Sundaram
Sisters Apart, dalla serie "Re-Take of Amrita", 2001
Stampa inkjet ai pigmenti, 38 x 36,5 cm
Courtesy dell’artista & sepiaEYE
Collezione Fondazione di Modena – FMAV


Calcium Phosphat

Die in Bologna lebende Künstlerin Caterina Morigi zeigte Ende Juni 2023 einen Ausschnitt ihres Werks Sea Bones im Rahmen der Ausstellung "Open House" in der FMAV Scuola di Alta Formazione in Modena, Italien. Ich bin eine der Kuratorinnen, die dort in Ausbildung waren und habe ihre Arbeit wegen des wachsenden Interesses an den Verknüpfungen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Organismen ausgewählt. Morigi arbeitet in diesem Projekt mit aus dem Meer geborgenen Materialien wie Muscheln zum Beispiel. Sie bestehen aus Calcium Carbonat, einer ähnlichen wandelbaren Substanz wie das menschliche Calcium Phosphat.

Caterina Morigi, an artist based in Bologna, at the end of June 2023, showed an excerpt of her work Sea Bones at the Open House Exhibition at FMAV Scuola di Alta Formazione in Modena, Italy. I was one of the curators who made their master's degree, and I have chosen her work because of the growing interest in relationships between human and nonhuman organisms. Morigi, in this project, works with materials she dives for. Marbles and shells are made of calcium carbonate, a similar transformable substance to the human calcium phosphate.

follow Caterina Morigi on Instagram

Picture:
Sea Bones Bas-relief, 2022.
Stampa 3D, 21 x 21 x 1,5 cm.
Courtesy artist & Galleria Studio G7, Bologna.
Foto Francesco Rucci.