„Literatur ist so anstrengend. Schlimm ist es, wenn die Vorleserin nuschelt. Die Geräusche, die das Umdrehen oder Weglegen der Blätter machen, gehen ja noch. Das kommt oft vor. Ich habe selten gute Stimmen gehört. Nur Schauspieler können richtig gut lesen, wobei man auch da aufpassen muss, dass man alles mitbekommt, wenn sie einen ablenken mit Gesten und hochgezogenen Augenbrauen. Oder mit diesem wissenden Lächeln in den Mundwinkeln, bei dem man nicht weiß, ob es jemandem im Publikum gilt oder ob der Schauspieler schon weiß, wie die Geschichte weitergehen wird. Aber klar weiß er das. Aber wir ja nicht.
Apropos Geschichte. Man muss als Autor doch vor allem eine positive Energie rüberbringen wollen. Schöne Geschichten, die einem auch hätten passieren könnten. Trost vielleicht. Dazu auch lustige Wendungen. Nicht immer so weltschwere Dinge. Das nützt ja doch nichts! Und es geht auch nicht, dass man uns einfach seine Gedanken aufdrängt, wo sind wir denn hier?“
Das Gegenüber lacht gepflegt.
„Letzthin fragte ich eine Schriftstellerin, was sie uns mit dem Text überhaupt sagen will. Sie hat meine Frage nicht beantwortet. Es war ein riesiges Durcheinander hinter ihr auf der Bühne und auch auf dem Tisch, an dem sie saß und las. Man könnte doch vorher sagen, wie das alles gemeint ist, auch das Durcheinander sollte man vorher in Ordnung bringen. Man muss doch als Schriftsteller in der Lage sein, klare Ankündigungen zu machen. Darum waren wohl auch nicht so viele Leute da, vielleicht vierzig? Das ist doch peinlich, finden Sie nicht auch? Finden Sie es nicht auch peinlich, dass zu einer Lesung nur vierzig Menschen kommen, wo es doch wichtig wäre, dass die Leute lesen.
Schön ist aber, wenn man diese Schriftsteller, die da zum Lesen kommen, später vielleicht ansprechen, ja sogar anfassen kann. Manchmal kaufe ich auch ein Buch von ihnen, das sie dann signieren. Es kann ja immer sein, dass sie einmal berühmt werden. Haben Sie das auch schon erlebt? Ich habe vor vielen Jahren einmal diesen, der da im Fernsehen über Bücher spricht, jetzt ist mir der Name entfallen…“
Das Gegenüber nickt wissend, murmelt einen Namen, den ich nicht verstehe.
„Ja, der, genau, jedenfalls ging ich dann zu ihm und kaufte ein Buch und ich habe mir in mein Exemplar von ihm eine Unterschrift geben lassen. Und ich gab ihm dann die Hand und er gab mir seine. Und das war wirklich schön für mich, denn ein Jahr später war er wirklich berühmt.“
Mitgehört auf einer Zugfahrt. Sinngemäß wiedergegeben.
Beitragsbild irgendwo geklaut: Sibylle Ciarloni.