Wie wird man zu jener/jenem, die/der man ist? – Astronaut zum Beispiel.
Was ist Beruf, was Berufung? Was ist Kunst und was Arbeit? Die Wirtschaftsnachrichten reden von Performance. Die Performance zählt! Und an der manifesta werden derzeit bekannte und unbekannte Künstler*innen durch ihre Auftritte im Cabaret Voltaire als Performer in der Zunft aufgenommen. Werde, der du bist! sagte Nietzsche. Was für ein Stress!

Die manifesta macht Zürich derzeit noch arbeitsamer als die Stadt schon ist. Vor wenigen Tagen besuchte ein Mensch mit seltenem Beruf Zürich. Umberto Guidoni kam aus Rom, nicht aus dem All. Aber dort war er gewesen. Zwei Tage dauert die Reise bis zum Mond. Sagte der Astronaut. Auf die Frage, ob es Leben gibt außerhalb der Galaxie, der die Erde angehört, antwortete er in Möglichkeitsformen. Die Wesen dieser Leben allerdings, seien wohl kaum uns Menschen ähnlich. Aber man könne es nicht wissen, hakte die Fragende nach. Und er: Nein, man kann es nicht wissen. Ob er an die Präsenz eines außerordentlichen Wesens* glaube oder zumindest angefangen habe zu glauben, als er ins All geschickt wurde und hinter sich die Erde sah. Das sei doch ein Wunder und so weiter und so fort … Dem Fragenden, der das Wort Gott nicht verwenden wollte, es aber gekonnt umschrieb, erschien es evident, dass der Astronaut gleich Ja sagen würde. Nein. Er sei nicht gläubig und dort wo er war und wo wir sind sei einmal nichts als Schwarz gewesen und dort werde einmal wieder nichts als Schwarz sein. Das war dann doch zu viel Nichts, denn noch einmal kam diese Frage nach Gott und wieder verneinte der Mann, der im All war und der, wenn schon nicht an einen Gott, so doch an seine eigenen Fähigkeiten glaubte. Zehn Jahre war er in Houston und hat sich in den Ausbildungsprogrammen bewährt, ohne Garantie, dass er je ins All geschickt werden würde. Dann aber kam der erste wichtige Moment.

Manche arbeiten lange Zeit für einen bestimmten Moment, manche bewusst, manche unbewusst. Und vor und nach diesem Zeitpunkt gibt es ein Leben, das gelebt wird. Die eigene Welt wird allerdings nach dem Moment in welchem die zu erreichende Gleichung (ich bin ich geworden, siehe oben Nietzsche) sich tatsächlich gefügt hat, sogleich von einem neuen Standort aus vermessen. Das liegt in der Natur der Sache, in der Natur der Bewegung von Dasein und Erde. Einen richtigen Standort und Zeitpunkt, von dem aus die Welt vermessen wird und in unserer Zeit die Leben gemessen werden, gibt es nicht und niemand anders bestimmt wer man ist, als man selbst.
Die Geometer suchen immer zuerst nach einem vermutlich maximal sedierten Terrain, nach einem nahezu unverrückbaren Punkt, einem umfangreichen Findling vielleicht, von welchem aus das Lasergerät in die Ferne schaut. Denn ein Baum wird nicht immer ein Baum sein und Vermessungen sollten über mindestens drei Generationen hinweg gelten. Bäume leben und sterben wie Tiere und Menschen.

Sein erster Flug ins All erfolgte 1996 und dauerte rund drei Wochen. In der Zeit hat er 252 Male die Erde umkreist. Rasch zogen Tag und Nacht an Umberto Guidoni vorbei. Dazu dreht die Erde sich um ihre eigene Achse und zeigt sich immer wieder von einer etwas anderen Seite. Im Jahr 2001 war der Astronaut aus Rom der erste Europäer an Bord der Raumstation ISS. Die ISS umkreist heute innerhalb von neunzig Minuten einmal die Erde.

Das Schöne an der Zusammenkunft mit diesem ungewöhnlichen Berufsmenschen war die Einsicht, dass alles seine Zeit braucht. Und alles, was wir tatsächlich besitzen, ist Zeit. Wir wissen bloß nicht wie viel davon wir haben.

*Gott

Bild unten: Blue Moon Juli 2015 über dem Martinsberg in Baden/CH

Beitragsbild aus dem www: Kasimir S. Malewitsch, Das schwarze Quadrat, 1915

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