Daumen hoch! Sachen aus dem Backoffice des Mannes mit der blonden Katze auf dem Kopf.
Ich bin Ghostwriter. Sein Ghostwriter. Gestern Abend hat er endlich damit angefangen, die Rede auswendig zu lernen, die er morgen den Veteranen vortragen will. Ich hatte sie ihm schon vor zwei Tagen abgeliefert. Selbstverständlich habe ich mein Bestes gegeben, kraftvolle Sprache, klare Linien, bisschen pöbeln sei auch okay, ein paar Versprechen einfließen lassen und vor allem Prophezeiungen, die die derzeitigen Ängste der Masse pflegen. Nicht jeder Kunde bezahlt so gut, dachte ich und nahm den Auftrag an.

Er rief mich an, um zu erfahren, wie ich das mit dem vereinigten Volk meine, die Leute, die hier leben, seien doch nicht vereinigt, und er habe auch nicht vor, sie zu vereinigen. Das sei eine Leier, die nun schon seit Jahren so erzählt werde. Er würde die Leute einfach auf den richtigen Pfad bringen. Geradeaus werde er sie, mit sich selbst an der Spitze wohlverstanden, anführen. Taramtaramtaraa. Ich solle das so umschreiben. Also habe ich es sofort umgeschrieben. Dann rief er mich an, weil er nicht begreifen konnte, was ich mit Haushalt meine, das sei doch Frauensache, auch wenn es solche gäbe, die man dazu nicht brauchen kann, putzen könne seine jedenfalls nicht. „Die dekoriert nur! Zu Ostern, Thanksgiving und fucking Christmas!“ Ja, fucking Christmas sage er, und dann lachte er plötzlich so fürchterlich leise, wie man es von ihm kaum erwartete, und er hörte nicht mehr auf, bis er – wie mir schien – fast anfing zu weinen. Nicht lustig. Ohne ein weiteres Wort legte er auf. Doch dauerte es kaum fünf Minuten, da sang mein Handy wieder. Ich habe eigens für ihn einen Klingelton eingerichtet. Niemand anderes hätte den Titelsong von Lion King bekommen. Es sei das einzige Lied, das er Wort für Wort auswendig kenne.
Und im ewigen Kreis
Dreht sich unser Leben
Dem Gesetz der Natur
Sind wir geweiht
Wir sind alle Teil
Dieses Universums
Und das Leben
Ein ewiger Kreis
Als er es für mich sang, blieb er immer etwas länger auf den Vokalen, und er versuchte, durch ein Zittern in seiner Stimme das Musical in eine Oper zu verwandeln. Jedenfalls rief er mich an, um zu sagen, dass er noch nicht fertig sei mit dem Haushalt und dass das mit seiner Frau ja nur ein Witz gewesen sei. Daumen hoch! Verstehe sich, ernsthaft, meinte er. Aber Haushalt passe nicht in die Rede vor solchen Männern. Ich erwiderte zuerst, dass meine Putzfrau auch nicht meine Haushälterin sei und dass ich den Staatshaushalt meinte. Da rief er, ich solle gefälligst die Volkswirtschaft daraus machen, weniger Staat verdammt nochmal, das predige er doch die ganze Zeit schon, ob ich denn nie zugehört hätte. Weniger Staat, mehr Volk, mehr Wirtschaft! Diesem Land gehe es derzeit so schlecht wie noch nie in seinem Leben (er meinte sein Leben)!
Ich konnte ihm nicht mehr erklären, dass Staatshaushalt und Volkswirtschaft nicht das Gleiche ist. Er hatte bereits aufgelegt. Zehn Minuten später rief er an, weil er nicht verstand, was ich mit den Kindern dieser Welt meine. Es gehe ihn doch nichts an, was die anderen Kinder tun, er interessiere sich nur für die Kinder dieses Landes. Auch für die der Latinos und der Schwarzen und der Indianer und der Spaghettis, fragte ich. Stille in der Leitung. Maccheronis! rief er dann und dass ihn die alle auch nicht interessieren würden, aber dass ich das nicht zu schreiben brauche, verdammt nochmal. Was ich dann schreiben soll, fragte ich.
Gar nichts.
Gar nichts geht nicht zu dem Thema.
Was denn das Thema sei, fragte er. Waffengesetze, sagte ich. Und was das mit Kindern zu tun habe, fragte er, und ob er mir denn nicht genug bezahlt habe. Ich wusste nicht, wie ich ihm auf diese komplexe Frage eine einfache Antwort geben sollte, die er hätte verstehen können. Dann sagte ich, dass auch Veteranen einmal Kinder waren. Ach, sagte er nur noch, und dann legte er auf und rief seither nicht mehr an.
Ich war der zehnte oder elfte Ghostwriter, der dem seltsamen Republikaner mit der blonden Katze auf dem Kopf Lippenstift aufgetragen hat, um es schöner zu machen. Doch ich brauchte das Geld und das wirklich Schöne daran ist, dass ich es schon auf dem Konto hatte, als er auflegte.

Beitragsbild: Sibylle Ciarloni

Bild = Bild von einem Bild: Sibylle Ciarloni aus der ZEIT.

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