Nippen, Warten, Nicken. Eine mittelmäßige Erfahrung mit entsprechender Wirkung.
Als ich pünktlich am frühen Abend in der Galerie mit Kontemporärem ankam, standen einige Menschen schon herum. Den Künstler, der bald lesen sollte, entdeckte ich abseits in einer Ecke am Reden mit einer Frau, die vom Walliserischen in perfektes Hochdeutsch wechselte. Hin und her, die Vokale vertauschend zunächst, um sie kurz darauf wieder blitzschnell korrekt zwischen die Konsonanten einzuordnen. Von den anderen, an denen ich vorüberging, sprach niemand. Beispielsweise über Istanbul, wo aufgefallen war, dass man die Flüchtlinge siebt oder wohin die Médecins Sans Frontières nicht gereist sind, um am humanitären UNO-Gipfel nicht Teil einer Farce zu werden. Und niemand sprach über die Börsenkurse und was diese stündlich am Radio und seitenweise in den Zeitungen zu suchen haben. Und auch niemand sprach über den täglich stattfindenden Stau auf den Autobahnen um jene Zeit, also am frühen Abend, und niemand über die Wahlen in Österreich und dass es knapp war.

Ich glitt durch den Raum, mein Ohr mal da, mal dort hinhörend. So richtig mochte ich mich nicht zu den Leuten stellen und nippend mit ihnen warten, bis sie endlich die Klappstühle aufstellen würden. Eine Lesung war angekündigt. Der Künstler würde aus einem alten Roman eines von ihm wiederentdeckten Schriftstellers lesen. Wie schön, hatte ich mir gedacht und ging schon deshalb hin. Nicht weil es ein alter Roman war, aber weil interessante Literatur ja nicht zwischen zwei Buchdeckeln stehenbleiben darf. Aber die Werke des Künstlers hatte ich bald dreimal schon betrachtet. Das Durcheinander mit den Vokalen konnte ich nicht in Ordnung bringen. Die Klappstühle standen noch immer nicht. Und niemand hatte sich mir genähert. Es waren auch nicht mehr Leute dazugekommen… schließlich ging ich früh nach Hause und mit Maus zu Bett.

 

Bild: Sibylle Ciarloni, 2013

Share this post